Nachhaltiges Investieren: Klimarettung oder Modetrend?

Ortspartei Wiesendangen

Denkanstösse für einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt in Wiesendangen

In mehreren Artikeln im Wisidanger setzt sich die FDP Wiesendangen mit aktuellen und relevanten Themen rund um Nachhaltigkeit auseinander. Neben den Zielen der Transparenzschaffung und Informationsvermittlung sollen lokale Stimmen zum Zug kommen.

Für diesen dritten Artikel standen Thomas Kessler, Leiter Geschäftsstelle Raiffeisenbank Wiesendangen, und Luca Studer, Research Analyst der acrevis Bank AG, Tobias Mäder Rede und Antwort.

Nachhaltige Finanzanlagen boomen. In der Schweiz sind schon rund CHF 1600 Mrd. in solche Anlagen investiert, und neben vermögenden Kunden sorgen vermehrt auch Kleinanleger für eine rasant steigende Nachfrage. Neu ist das Thema eigentlich nicht, wie Thomas Kessler (TK) erläutert, so gibt es solche Anlagen schon seit über 20 Jahren. Doch eine grosse Präsenz ökologischer und sozialer Themen in den Medien, die einem politischen Willen der Nachhaltigkeitsförderung entspringen, sorgen für Aufmerksamkeit. Luca Studer (LS) ist klar der Ansicht, dass es sich nicht um eine kurzlebige Modeerscheinung handelt, sondern dass gleiche mehrere Megatrends das Anlagethema Nachhaltigkeit antreiben.

Erstaunlich: Noch immer gibt es keine einheitliche Definition, was unter nachhaltigen Anlagen genau zu verstehen ist, die üblicherweise mit den sog. ESG-Kriterien bezeichnet werden (Environmental, Social, Governance).

Entsprechend schwierig ist es für Anleger zu verstehen, was bspw. in nachhaltigen Portfolios enthalten ist. LS weist drauf hin, dass es ganz unterschiedliche Nachhaltigkeitsansätze gibt und es ein gängiger Irrtum sei, dass es nur um erneuerbare Energien gehe. TK führt aus, dass auch Missverständnisse zum gelegentlich falschen Eindruck des «Greenwashings» führen (Nachhaltigkeit als Marketing), weil die Grenzen der verschiedenen Ansätze oft nicht transparent aufgezeigt werden.

Für wen können solche Anlagen interessant sein? Und rettet man damit die Welt?

Wer nebst finanziellen Aspekten auch Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien (ESG) in seine Geldanlagen integrieren will, kann finanzielle Ziele mit eigenen Werten und Überzeugungen in Übereinstimmung bringen, führt LS aus. Tatsächlichkönnen abhängig von der Anlageklasse unterschiedliche Einflüsse ausgeübt werden. Bspw. finanzieren grüne oder soziale Anleihen zweckbasierte Projekte bei denen ein grösserer umwelttechnischer oder sozialer Effekt erzielt werden kann. Auch kann indirekt Druck auf das Management von Firmen ausgeübt werden, indem Nicht-ESG-Aktien gemieden werden.

Ein Beispiel ist der Ausschluss von Öl- und Gasunternehmen, wie TK ausführt. Mit Anlagestrategien wie «Impact Investing» können Investitionen mit einem positiven Einfluss verknüpft werden. Mikrofinanzfonds oder Green Bonds ermöglichen Investoren, gezielt ökologische oder soziale Ziele zu unterstützen. Raiffeisen erachtet solche Anlagen als interessant für langfristig orientierte Anleger.

Gutes Gewissen, aber tiefe Rendite? Mitnichten...

TK berichtet von über 2000 finanzwissenschaftlichen Studien, die gleiche, wenn nicht sogar bessere Renditen erwarten lassen. Auch überzeugt das Argument, dass bei Firmen, die sich nach besagten ESG-Kriterien richten, auf eine zukunftsgerichtete Geschäftspolitik geschlossen werden kann. Für weniger nachhaltige Unternehmen hingegen können finanzielle Risiken und Kosten aus externen Effekten wie CO2-Emissionen entstehen.

Auch die acrevis sieht keine Renditenachteile und weist darauf hin, dass sogar etwas geringere Wertverlust-Risiken in Bezug auf Umwelt- und Korruptionsskandale oder ähnliche Themen bestehen.

Womit das Thema Risiken explizit angesprochen wäre...

No risk no fun?

Durch das starke Wachstum dieser Anlageklasse wurde kürzlich von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Gefahr einer Blasenbildung ins Spiel gebracht, u.a. mit dem Verweis auf eine überdurchschnittlich hohe Bewertung entsprechender Aktientitel (Kurs-Gewinn-Verhältnis). Dem gegenüber steht, dass global gesehen das nachhaltige Wirtschaftswachstum zunehmen wird und Staaten sich immer ambitioniertere Ziele setzen, beispielsweise zur Eindämmung von CO2-Emissionen.

Trotz Aussicht auf nachhaltigen Erfolg mit dieser Anlageklasse empfehlen die Banken, sich vertieft mit der Materie auseinanderzusetzen und beraten zu lassen.

Zum Schluss ein bisschen Politik: Welche Rolle wird die Schweiz als Finanzplatz wohl spielen?

Unsere befragten Banken sind sich einig: Dank langjähriger Erfahrung, hervorragender Standortbedingungen und insbesondere der Fähigkeit und des Willens zur Transformation ist der Schweizer Finanzplatz bestens gerüstet, eine Vorreiterrolle in einem nachhaltigen Finanzsystem einzunehmen. Es fehlt allerdings noch ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen, der verlässliche Bedingungen schafft, ohne die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu sehr zu beschneiden. Die EU treibt ihren «EU-Aktionsplan» für nachhaltiges Wachstum bereits voran. Die Schweizer Politik ist diesbezüglich ebenfalls gefordert.

Die vollständingen Interviews:

Interview mit Thomas Kessler

Interview mit Luca Studer